Ökoprojekt MobilSpiel e.V.

Impulse für ein ganzheitliches Verständnis

Nach der Begrüßung der Teilnehmer*innen sowie dem Dank an Dr. Christoph Goppel und Carmen Schnaidt für die Förderung des Seminars durch das Bayerische Staats-ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz startete Ilona Böttger mit  Impulsen zu drei unterschiedlichen Schwerpunkten in das ambitionierte Tagesprogramm: "Politisches Engagement – Demokratie fördern", lautete der Input von Rossana Noe vom Münchner Verein Commit. Jean-Philippe Baum vom Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland setzte Impulse zum Thema “Anders Wirtschaften – Werte, Rahmen und Lernorte“. Um „Regionale Netzwerke und Bildungslandschaften“ ging es Franz Galler, vom Verein Gemeinwohl-Ökonomie Bayern aus Ainring im Chiemgau. Die Impulse sollten zum ganzheitlichen Verständnis von BNE im Kontext der Großen Transformation und zur Förderung von nachhaltigen Lebensstilen bei verschied-enen Zielgruppen dienen.

Politisches Engagement – Demokratie fördern

Politisches Engagement hat für Rossana Noe verschiedene Facetten: Neben parteipolitischem Engagement unterscheidet sie Aktivismus/zivilen Ungehorsam, die Politisierung in der Arbeit sowie das zivilgesellschaftliche Engagement. Dass viele Menschen politikverdrossen sind und sich wenig engagieren, hat nach Noe nicht automatisch etwas mit Desinteresse der Bürger*innen zu tun. Doch was kann politisches Engagement tatsächlich verändern? Hierfür gibt Noe einige Beispiel, wie die Mobilisierung der Bevölkerung durch ein breites Münchner Bündnis gegen den Steinkohleabbau oder das Engagement von NGOs „Essen gehört nicht in die Tonne“, bei dem zwar bisher kein Gesetz erlassen wurde, doch durch zivilgesellschaftliches Engagement viele Möglichkeiten entstanden sind, Essen nicht im Müll landen zu lassen. Diese erfolgreichen Aktionen zeigen, wie weit auf die Politik Einfluss genommen werden kann.

Grundsätzlich sollte jedoch gelten: „Wir müssen da ansetzen, wo Gesetze entstehen und uns vielseitig engagieren“, so Noe. „Welche Beteiligungsmöglich-keiten es gibt, das müssen dann auch wir als Multiplikator*innen weitergeben.“ Es sei jedenfalls wichtig, weitere Schritte zu gehen. Mit genügend Geduld und Kraft ist auch ein Wandel in der Politik möglich, auch für die Große Transformation. Anhand der „Theory of Change“ benötige man für eine erfolgreiche Kampagne den Ist-Stand, das Ziel und die Zielgruppe, dann die Strategie, die zu einer Handlung führt und letztendlich zum Ziel. Laut Schwarmintelligenz können auch schon fünf Prozent aus einer Masse für Veränderung sorgen. Daher fordert Noe die Teilnehmer*innen des Seminars aus, den Wandel zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen und teilzuhaben an den gesellschafts-politischen Prozessen, die bunt und vielfältig sind, um die Transformation selbst in die Hand zu nehmen. Ein Wandel sei politisch nämlich nur möglich, wenn Druck von unten komme sowie Potentiale und Möglichkeiten ausgetestet werden.

 

Anders Wirtschaften – Werte, Rahmen und Lernorte

Jean-Philippe Baum kam über das Wirtschaftsthema, die Gemeinwohl-Ökonomie zu seiner aktuellen Arbeit als Bildungsreferent für Globales Lernen und als Koordinator für entwicklungspolitisches Jugendengagement des Entwicklungspolitischen Landesnetzwerkes im Saarland (NES e.V.).

Anhand seines eigenen Bildungsweges lernte er, wie sehr es auf die Atmosphäre der Gruppe und die Rolle des Lehrenden als inhaltliche Begleitung beim Lernen ankommt, damit sich Potential entfalten kann. Zu Beginn seines Impulses liest er eine Reihe von Begriffen vor und fragt die Teilnehmer*innen, ob diese etwas mit Wirtschaft zu tun haben: Finanztransaktionssteuer, Wohlstand, Reichtum, Armut, Vertrauen, Misstrauen, Umweltschutz, Umweltzerstörung, Krieg, Frieden und Liebe. Bei jedem seiner Begriffe konnten die Teilnehmer*innen einen Bezug zur Wirtschaft herstellen. „Da stimmt doch etwas nicht!“, so Baum. “Economics are the method, the object is to change the heart and soul.” Mit diesem Zitat von Margaret Thatcher versucht er, das falsche Bewertungschema der Gesellschaft aufzudecken. „Ziel ist das Geld, doch eigentlich sollte es das Mittel sein.“

Die Menschheit habe laut Baum aktuell drei Krisen: Die Trennung des Menschen von der Natur (Umweltzerstörung), die Trennung des Menschen von anderen Menschen (Kriege, Religionsstreitereien) und die Trennung des Menschen von sich selbst (Rauchen, Trinken).  Warum ist das so und warum ändern wir nichts? Ein Problem sei, dass wir in Rollenmustern gefangen sind. Unsere Rolle in der Zivilgesellschaft kann die Probleme auf systemischer Ebene nicht lösen. Die Politik der sozialen Marktwirtschaft gebe zwar Normen und Gesetze vor, doch die Unternehmen übernehmen in diesem Rahmen die Zuständigkeit für die Wirtschaft. Sie stehen im bestehenden System unter Wachstumszwang und die Politik wird wiederum daran gemessen, wie gut es der Wirtschaft geht. „Ein Kreislauf, bei dem alle die Probleme sehen, aber bisherige Lösungsansätze nicht umfassend sind, insbesondere weil die Rollenmuster nicht aufgelöst werden“, so Baum.

 

Bei der „Großen Transformation“ gehe es, laut Baum, um Kulturwandel und Paradigmenwechsel. Das materialistische Weltbild muss zu einem „holistischen Weltbild“ werden. Zu sich zu finden, Gruppenprozesse erleben, Vertrauen in Menschen wiedergewinnen, Naturerfahrungen machen und Teil der lebendigen Umgebung werden, könnte dies ändern und dazu ermuntern, als Erdenbürger*in Verantwortung zu übernehmen und den eigenen Umgang mit der Welt zu verändern.

Die Bildungsarbeit kann dazu ihren Beitrag leisten, indem sie beispielsweise Glücksübungen anbietet, generative Fragen stellt und diese in Verbindung mit Konsum bringt: Denn wer glücklich ist, konsumiert nicht so viel. Beleuchtet werden muss auch die Rolle der Werbung, die Grundbedürfnisse ausnutzt. Dies kann dann in Verbindung mit der Systematik der Wirtschaft, wie Wachstumszwang und Konkurrenz, gebracht werden. „Machen Sie Visionsarbeit!“, ist Baums Vorschlag an die Teilnehmenden des Seminars. „Visualisieren Sie alleine und in Gruppen: Wie würde die Welt aussehen, wenn wir nachhaltig Wirtschaften? Wie würden dann die gesellschaftlichen Strukturen, wie Bildung, Gesundheit, Mobilität, Energie, Landwirtschaft, Demokratie, Geld, Wasser etc., aussehen? Alternative Entwürfe, die bereits vorhanden sind, wie Gemeinwohl-Ökonomie, Regionalgelder und grüne Banken, aber auch Visionen, können herangezogen werden, erste Schritte zu gehen und neue Strukturen zu unterstützen.

Regionale Netzwerke und Bildungslandschaften

Den dritten Impuls zum Thema regionale Netzwerke und Bildungslandschaften gab Franz Galler den Multiplikator*innen des Seminars mit in den Tag. Der gelernte Bankkaufmann war über 25 Jahre im Bankwesen tätig. 2010 gründete er das „Büro für nachhaltige Regionalentwicklung“ und bietet Vorträge, Seminare und Workshops zu alternativer Unternehmens-Finanzierung, Regiogeld, Regionalentwicklung und Aufbau eines regionalen Finanzsystems an. Seit der Gründung im Juli 2016 koordiniert Galler die neue Gemeinwohl-Regionalgruppe Südostbayern.

Die internationale Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung, die sich in regionalen Netzwerken formiert, ist an einem Umbau der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung interessiert. „Wir wollen keine andere Welt, doch Geld soll für uns Mittel, nicht Zweck sein“, so Galler. Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist eine Bewegung hin zu einem ethischen Wirtschaftsmodell, in der unternehmerische Motive und Ziele von Gewinnorientierung und Konkurrenz zu Gemeinwohlstreben und Kooperation „umgepoolt“ werden. Herzstücke der Gemeinwohl-Bilanz sind Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Mitbestimmung und Transparenz. Anhand dessen wird unternehmerisches, aber auch gesellschaftliches Handeln im Rahmen der Initiative bemessen.

Nach der Gründung der Regionalgruppe hatten sich, laut Galler, schnell neun Unternehmen aus der Region auf den Prozess zur Gemeinwohl-Orientierung eingelassen. Doch das Interesse der Organisatoren und Beteiligten richtete sich schon bald auf die Fragestellung: „Wie kann ich die Gemeinwohl-Ökonomie auch als Bürger*in umsetzen?“ So führte das Katholische Bildungswerk Traunstein (KBW) im Rahmen der Regionalgruppe Südostbayern ein Pilotprojekt „Ich lebe enkeltauglich! Wirklich? - Als Bürger*in gemeinwohl-orientiert leben!“ durch.  24 Teilnehmer*innen  befassten sich in re­gel­mä­ßi­gen Tref­fen in der Grup­pe mit As­pek­ten des ei­ge­nen Le­bens, wie kon­flikt­freie Ent­schei­dun­gen in Grup­pen tref­fen, De­mo­kra­tie und Selbst­be­stim­mung oder ver­ant­wor­tungs­vol­ler Kon­sum. Sie gaben sich jeweils selber Aufgaben zu den Werten auf, die sie bis zum nächsten Treffen erfüllen sollten. Zum Beispiel bis zum nächsten Treffen nur fair erzeugtes Fleisch zu kaufen, einen Monat mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren oder zu einer ethisch-ökologischen Bank zu wechseln. Aus diesem Pilotprojekt entwickelte sich – quasi als Bildungskonzept für die Erwachsenenbildung – ein Spiel mit 114 verschiedenen Aufgaben, das in vielen Regionalgruppen als Kurs umgesetzt wird. Die besondere Stärke dieser Erwachsenenbildungs-maßnahme ist, dass sie Anstöße zum konkreten Handeln gibt. „Durch eine Kombination aus Spiel und Gruppendynamik bzw. Gruppenintelligenz setzt der Kurs große Veränderungs-Energie frei. Die Teilnehmer*innen des gerade abgelaufenen Pilot-Kurses packten ihre selbst gewählten Aufgaben und Themen an der Wurzel an“, so Galler.
 

 „Wir wissen im Grunde alles, was wir wissen müssten, um gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur und gegen die Auswüchse des Turbo-Kapitalismus etwas zu unternehmen. Und doch brauchen wir immer wieder einen Anstoß, um ins Handeln zu kommen.“ Franz Galler

Impulsvortrag von Rossana Noe von Commit e.V., München

Foto: Elisabeth Öschay

Impulsvortrag von Jean-Philippe Baum vom Netzwerk Entwicklungs-politik im Saarland e.V., Saarbrücken

Foto: Elisabeth Öschay

Impulsvortrag von Franz Galler vom Verein Gemeinwohl-Ökonomie Bayern e.V., aus Ainring im Chiemgau

Foto: Elisabeth Öschay